Umbra et Malleus / Log 22 / F. Hammerton
#1
Im Shuttle

Das Farbenspiel hatte etwas hypnotisierendes an sich. Man wurde scheinbar in andere Welten entführt. Selbst Richard von Rabenstein konnte sich der Wirkung dessen, was sich ihm präsentierte, nicht gänzlich entziehen.

RR: Diese Pracht erinnert uns an das, wohin der Mensch streben kann, was ihm möglich sein kann, wenn er seinen Verstand richtig einsetzt. Aus Kohlenstoff kann ein Diamant werden

Frank Hammerton grunzte.

FH: Was glitzert, kann auch schneiden.
RR: Eine Weisheit Ihres geschätzten Vaters?
FH: Nein, Bischoff Himilkon IV, als er die Massenexekutionen auf Vulkan anordnete.
RR: Nun, Himilkon war ein, nun ja, er war ein, gelinde gesagt, besonderer Mensch.

Hammerton blickte auf das Navigationsholo und schaltete dann auf die Daten der Sensoren um.

FH: Mhmm, äußerst interessant, äußerst merkwürdig und nicht ungefährlich.
RR: Was meinen Sie?
FH: Die Sensoren zeigen einige massive Chroniton-Ansammlungen an. Die Raumzeit ist wild fragmentiert. Da gibt es Zonen mit langsamer ablaufender Zeit, Zonen mit absolutem Stillstand und sogar Zonen in den die Zeit um einige Sekunden rückwärts läuft. Und alles nur wenige Kilometer von einander entfernt. Teilweise überlappen sich die Zonen. Das widerspricht allen Gesetzen der bisher bekannten Temporalphysik.
RR: Klingt ungesund.
FH: Ja, ein wahres occulus maleficorum.
RR: Wusste gar nicht, dass Sie Neo-Latein sprechen?
FH: Schon vergessen Euer Exzellenz? Ich arbeite seit Jahrzehnten für die Inquisition.
RR: Kommen wir an diesen Anomalien vorbei?
FH: Ja, aber das wird uns Stunden kosten.
RR: Was würde passieren, wenn wir direkt durchfliegen?
FH: Rein theoretisch könnten wir, wenn wir in die Scherzonen zwischen den einzelnen Zeitzonen geraten, in Stücke zerteilt werden, Aber...

Hammerton zog die Sensorauswertung zu Rate.

FH: Es gibt einen sicheren Weg in Richtung der Koordinaten des Planetensystems. Dieser Weg führt um den gesamten Cluster herum. Wir würden in ca. 72 Stunden die Koordinaten erreichen.
Das wäre der sichere, der logische Weg.
RR: Und aus genau diesem Grund habe ich das Gefühl, wir sollten diesen Weg NICHT nehmen. Denn was immer sich dort befindet, scheint für Constantinus von allergrößter Wichtigkeit gewesen zu sein. Und so etwas lässt man nicht ungeschützt.
FH: Es gäbe da noch einen anderen Weg. Er führt zwischen 2 der Temporalzonen hindurch. 

Hammertons Finger wies auf einen grell pulsierenden Punkt auf dem Analyse-Holo.

FH: Man muss den Startzeitpunkt genau einhalten. In etwa 25 min. Dann fliegt man direkt zwischen den Zonen durch und auf den Mittelpunkt einer Gravitationslinse zu. Wenn man den Winkel korrekt trifft, reisst einem die Gravitationslinse auf den richtigen Vektor. Dann heisst es Vollgas geben und durch. Nach exakt 3 min.  heisst es „Voller Stop“ und man ist im System. Theoretisch!
RR: Dann sollten wir die Theorie in die Praxis umsetzen.
FH: Nun gut. Ich programmiere den Kurs. Ich hoffe, Sie mögen hohe G-Kräfte. Denn die SIF/TDF-Felder werden nicht alle Kräfte kompensieren können.
RR: Machen Sie sich um mich keine Sorgen!

Hammerton zuckte mit den Schultern und gab die Navigationsdaten ein. 10min. später teilte der Computer mit, dass die Berechnungen abgeschlossen seien.

FH: Nun gut, Wir haben noch 5 min. Schnallen Sie sich an Euer Exzellenz, das wird ein heißer Ritt.

Richard nickte nur, dann konzentrierte er sich auf das Bild vor ihm, bohrte seinen Blick förmlich in das Farbenspiel vor ihm und...

...wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als das Shuttle förmlich wie von einer Kanone geschossen, abflog. Man hörte nur das Aufheulen der Feldgeneratoren, die Alarmsignale diverse Systemmeldungen und das überlastete Knarren des Schiffsrumpfes. Dies alles mischte sich, mit dem vor dem Cockpit-Screen wirbelnden Farben und den wechselnden Lasten auf dem Körper zu einer Kakophonie, die man durchaus als höllisch bezeichnen konnte. Das Shuttle raste jetzt auf die Gravitationslinse zu und wurde von ihr in Richtung eines wabernden Gasnebels gerissen. Wie ein Pfeil raste das Shuttle durch den Nebel und bremste dann scharf ab.

Der Druck auf Richards Brust hatte nachgelassen. Das Atmen fiel wieder leichter. Im Cockpit war es, bis auf das leise Surren des Klimasystems Ruhe.
Richard drehte vorsichtig den Kopf in Richtung Hammerton, dessen Blick auf das Navigationsholo konzentriert war. Hammerton rieb sich brummend das Kinn.

FH: Wir sind da. Ich versuche gerade die Außenkameras wieder online zu bringen.
RR: Warum fahren Sie die Panzerung vor den Cockpitfenstern nicht weg?
FH: Die Servos sitzen fest.
RR: Ah nun.
RR: Soooo wir sind wieder online.

Auf dem Holoscreen leuchtete jetzt das Bild der Außenansicht auf. Ein unglaublicher Anblick:

5 Planeten, in gleichmäßigen Abständen von einer zentralen Sonne entfernt, zogen auf exakt synchronen Bahnen, ihre Wege um die Sonne. 

FH: Das sieht nicht natürlich aus.
RR: Da muss ich Ihnen recht geben. Es sieht konstruiert aus!
FH: Wer kann denn ein Sonnensystem konstruieren und warum?
RR: Wer auch immer die gebaut haben sollte, er ist uns um Jahrtausende voraus.
FH: Wie auch immer, das System an sich ist zwar sehenswert, aber was gibt es hier was so wichtig ist?

Richards Geist riss sich nur widerwillig von der Perfektion des Systems los.

RR: Es muss etwas...nun..außergewöhnliches sein.
FH: Mhm...auf dem vierten Planeten wird eine atembare Atmosphäre angezeigt,
RR: Eventuell finden wir dort Hinweise. Nehmen Sie Kurs auf den Planeten.
FH: Ich hoffe, Sie mögen Nässe, Euer Exzellenz?
RR: Warum?
FH: Auf dem Planeten herrschen Dauerregen und max. 9 Grad Celsius.

Richard zuckte nur mit den Schultern
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