Griff in die Geschichte Log 20 - Sokar
#1
*** Erde / Südtunesien ***
 
Bei der genauen Abstimmung mit dem Transporterchief der 'Picard', Dr. Val'Kara und dem MHN hatte Sokar eine leichte Änderung ihres Planes vorgenommen. Es war klar geworden, dass es unmöglich sein würde, den gesamten Stamm auf das Schiff zu beamen, dort ihr Gedächtnis zu löschen und sie dann wieder zurück zu transportieren. Und lediglich einen Teil zu 'verarzten' hätte bedeutet, das unweigerlich der andere Teil auf den Transportvorgang aufmerksam geworden wäre, oder zumindest die mehrere Stunden andauernde Abwesenheit ihrer Stammesgenossen bemerkt hätte. Nein, ein Transfer musste unter diesen Bedingungen schnell gehen, so schnell, dass er kaum bemerkt werden konnte. Nur dann hätten sie Aussicht auf Erfolg!
 
Das MHN - oder besser gesagt Doc Holliday, wie sich das Hologramm in einer unerfindlichen Laune einmal getauft hatte - hatte die rettende Idee: man würde die Leute mit dem Transporter erfassen, allerdings nicht auf der 'Picard' rematerialisieren lassen, sondern sie im Musterpuffer speichern. Jedem einzelnen Muster sollte der Code einer bestimmten Proteinsequenz zugefügt und dann die Stammesmitglieder zurück gebeamt werden. Die Proteinsequenz sollte sich nach der Materialisierung von selbst aktivieren und innerhalb der nächsten halben Stunde für eine Löschung des Gedächtnisses sorgen.
 
Leider konnte man sich dabei nur auf Ergebnisse einer Forschergruppe stützen - für eigene Simulationen blieb gar keine Zeit. Ein Risiko, das Sokar nicht gern einging. Aber so wie die Dinge standen, war es die einzige Möglichkeit. Das MHN hatte versichert, dass das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass sich einige Leute im Unterbewusstsein erinnerten und die Ereignisse in Träumen wieder auftauchten. Val'Kara, die auch bereits einen Blick auf das geplante Ablaufprotokoll hatte werfen können, bestätigte dies.
 
Und so fanden sich Sokar, Marlow und Dr. D'Varo zum Abschiedsessen im großen Zelt des Scheichs ein. Die Ältesten des Stammes und weitere Männer hatten auf den weichen Teppichen rings um die Schüsseln mit Essen Platz genommen, einige Frauen warteten diensteifrig im Hintergrund. Die übrigen Frauen und die Kinder hielten sich neugierig rings um das Zelt auf; nur einige Mütter waren bei ihren Babies in den Zelten.
 
Von den großen Platten mit Couscous stieg Dampf auf. Daneben lag gekochtes Hühnerfleisch, Zwiebeln, Datteln, Linsen mit Koriander und sehr klebrig und süß aussehende Kuchen. Der Scheich, ganz in Weiß gekleidet mit einem prächtigen Krummdolch in der Schärpe, sprach ein Dankgebet für die Genesung seines Sohnes und eröffnete das Festessen, indem er als Erster zugriff. Der neben ihm sitzende Sohn folgte seinem Beispiel.
Sokar aß höflicherweise ein paar Bröckchen, obwohl es ihm widerstrebte, Essen mit den Fingern anzufassen. Dr. D'Varo war nach dem in München erlebten Desaster ebenfalls sehr vorsichtig. Sie konnte aber nicht verhindern, dass ihr eine dickliche Beduinenfrau eines der Honig-Küchlein geradezu in den Mund schob. Lediglich Marlow hatte keine Bedenken, sondern langte tüchtig zu. Wenn schon, denn schon, schien er sich zu sagen - und immerhin war es einmal kein Replikatormenü!
 
Sokar wartete auf den günstigsten Moment. So dicht gedrängt, wie sie alle hier saßen, war es gar nicht nötig, dass weiterer Körperkontakt hergestellt wurde. Der Transporterchief war instruiert, auf ein verabredetes Codewort mit dem Transfer zu beginnen. Sokar nippte am heißen Tee - das Einzige, was seiner Geschmacksempfindung nach angenehm war -, sah sich noch einmal in der Runde um, suchte Augenkontakt mit Marlow und dann der ihm gegenüber sitzenden Dr. D'Varo. Die Ärztin nickte kaum merklich. Marlow hustete zum Zeichen, dass auch er bereit war. Sokar tat, als müsse er kurz seinen Kragen lockern und aktivierte dabei seinen kleinen Kommunikator.
"Ich möchte Ihnen danken für die große Gastfreundschaft," sagte er.
Das war das Stichwort. Im nächsten Moment lösten sich alle Anwesenden in der Energie des Transporterstrahls auf.
 
 
*** Transporterraum der 'Picard' ***
 
Sokar, Marlow und D'Varo materialisierten und verließen das Transporterpad.
"Ah, tut gut, wieder hier zu sein!" kommentierte Marlow. "Auch wenn das Essen nicht schlecht war! Aber dieser Sand....! - Ich gehe gleich runter ins Labor und schaue, wie die Aufbereitung unseres Urans Fortschritte macht!"
 
"Gute Idee, unsere Energiereserven schleifen am Boden," antwortete der Transporterchief. "Zumal nach der Aktion jetzt."
 
"... und dann nehme ich eine ausgiebige Dusche, um die verdammten Sandkörner loszuwerden!" Marlow verschwand im Lift, während Val'Kara gerade durch die Tür trat.
 
Mit gebieterischer Stimme forderte sie Nalae D'Varo auf, sich umgehend zum Check auf die KS zu begeben und "keine Widerrede!" Es sei schlimm genug, dass Marlow ihr entfleucht war! "Und das gilt auch für Sie, Captain."
Doch zunächst begutachtete sie mit Sokar gemeinsam das Holodisplay des Musterpuffers, in dem zahlreiche kleine Fortschrittsbalken die Einspeisung des Proteincodes anzeigten.
 
"Alles läuft nach Plan," sagte der Transporterchief. "Die Prozedur ist bei 50 Prozent der Muster schon erfolgreich abgeschlossen. Insgesamt werden es ungefähr zwei Minuten werden, bis alle wieder unten sind. Dann wird kurz Aufregung herrschen... und kurz drauf wird sich keiner mehr erinnern, warum eigentlich."
 
 
*** KS der 'Picard' / Einige Zeit später ***
 
Der Checkup war abgeschlossen und das MHN deaktivierte das Quarantäneschutzfeld rings um die Liege. Sokar erhob sich und trat zu seinem XO, der ihm die letzte halbe Stunde von jenseits der Absperrung seinen Bericht gegeben hatte.
"Ich will aber doch noch Mr. Edzardus sprechen," beschloss Sokar. "Das war ein ganz schönes... wie nennt man es auf der Erde? 'Husarenstück'."
 
"Ich habe ihn zur Beförderung vorgeschlagen," antwortete Vandenberg grinsend. "Sie hätten sein Gesicht sehen sollen."
 
"Ich kann mir eine gute Vorstellung davon machen, Robert." Die Tür glitt vor ihnen auf und sie verließen die Krankenstation.
 
"In so einer Situation eine rasche Entscheidung zu fällen ohne Rücksicht auf eigene Gefährdung, dazu ist nicht jeder in der Lage. Der Junge sollte ins Kommandotraining eintreten, wenn wir wieder zurück sind," fuhr der XO fort, während sie den Gang zum Lift entlang schritten.
 
"Das klingt, als ob wir lediglich einen Schalter umzulegen bräuchten, und wir wären wieder zu Hause."
 
"Nun, wir sind ja schon am richtigen Ort. Und um bis hier her zu gelangen, haben wir enorme Hindernisse überwunden - da dürfte so ein kleiner Zeitsprung nicht der Rede wert sein!" Vandenberg lächelte und machte Sokar damit klar, dass dies eher als Scherz gemeint war. Doch andererseits - es gab ja Präzedenzfälle, wie jener der Enterprise unter Kirk.
 
"Sie haben recht," erwiderte Sokar daher, und in seinen Augen blitzte ebenfalls ein Lächeln auf.
[Bild: sokar.jpg]
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