Griff in die Geschichte Log 12 Hohardus Edzardus
#1
==========  München, Odeonsplatz , 9. November 1923  ==========

Es war etwa 12 Uhr mittags.

Howy hatte sich auf die Stufen der Theatinerkirche gesetzt und betrachtete die Entwicklungen auf dem Platz.
Rechts von ihm stand die berüchtigte Feldherrnhalle und gegenüber von ihm die Residenz.
Dann war da noch der ‚Bazar‘, der damals oder jetzt, das Haupteinkaufszentrum der Münchner war.
Und links am Ende des Platzes stand das Siegestor.
In einer kleinen Seitentür ihm gegenüber in den Schatten gedrückt stand Vandenberg zusammen mit Val’Kara.
Tr’Kovath war direkt auf dem Dach der Halle postiert, auch um ihnen im Zweifelsfall den Rückzug zu sichern.
Von Mort konnte er nichts erkennen, da sich dieser der direkten Gruppe um Hitler anschließen wollte, wenn sein Plan aufgehen sollte.
 
Man hörte zwar schon die ersten Marschierer, aber die Marschkolonne selber war noch nicht zu sehen.
Aber in nahezu jedem Fenster und auf jedem Balkon standen Schaulustige, die sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollten.
Und sie würden, wie Howy natürlich wußte, auf ihre Kosten kommen.
 
Nur die Mitglieder der Picard wußten, daß sie hier in diesem Moment bei einem der Schlüsselereignisse der Weltgeschichte dabei waren, denn auch wenn dieser Putsch zunächst in einer Niederlage endete, so war er doch der Beginn des unaufhaltsamen Aufstiegs Hitlers zur Macht.
 
Tatsächlich waren aus der Richtung des Wehrkreiskommandos schon Schüsse zu hören, wo Röhm mit etwa 400 Genossen das Gebäude besetzt hatte. Er hoffte auf Unterstützung von sympathisierenden militärischen Einheiten, die aber nie kamen.
Regierungsloyale Verbände der Reichswehr und der Bayerischen Landespolizei versuchten dort, die Putschisten zu vertreiben oder gefangen zu nehmen, wobei auch schon die ersten zwei von denen erschossen wurden.
 
Alle Mitglieder der Picard hatten ein Schutzfeld um sich errichtet, denn die Luft würde auch hier auf dem Odeonsplatz recht bleihaltig werden.
Die anderen Zuschauer aber machten einen recht sorglosen Eindruck. Sie erwarteten ein ordentliches Spektakel, über das man hinterher im Bierkeller prima diskutieren konnte.
 
Aus der Richtung des Siegestores hörte man nun die Marschierer herankommen. Sie sangen Kampflieder und die Nationalhymne.
Und es war schon eindrucksvoll, wie viele sich entschlossen hatten, Hitler zu unterstützen.
Den Quellen nach waren es etwa 3000, was Howy bestätigen konnte, auch wenn er natürlich keine Chance hatte, die Marschierer tatsächlich zu zählen.

Die Meisten trugen Altagskleidung, aber es gab eine ganze Reihe Männer in SA-Uniformen, die bewaffnet waren, diese liefen rechts und Links von zwei Männern, die den Zug anführten: Hitler und General Ludendorff, beide in Zivil.
 
Zumindest die Männer in den ersten Reihen trugen Hakenkreuzbinden um den Arm und viele schwenkten die Fahnen der Nazis.
Und an einigen Häusern entfalteten sich jetzt ebenfalls Fahnen.
Es war offensichtlich, daß die Unterstützung durch die Bevölkerung groß war.
 
Einer der SA-Männer direkt neben Hitler war Johann Mooseder alias Mort, wie Howy inzwischen deutlich erkennen konnte.
Neben ihm Hitlers persönlicher Leibwächter Ludwig Graf.
 
Dann plötzlich erschienen etwa 130 Mann der Landespolizei aus einer kleinen Seitenstraße, die sogar eine Kanone und Maschinengewehre in Stellung brachten, und riegelten den Platz ab.
 
Ludendorff befahl den Putschisten in die Perusastraße und dann in die Residenzstraße abzuschwenken, wobei sie weiterhin lautstark patriotische Lieder sangen, wie ‚Die Wacht am Rhein‘.
 
Ein größerer Kordon von Polizisten sperrte die Residenzstraße, um den Zug nicht durchzulassen, aber die Demonstranten durchbrachen diese Linien, ohne daß es zu Gefechten kam. Sollten die etwa auch unter den Beamten Sympathisanten haben?
 
 
==========  12.45 Uhr ==========
 
Howys Scanner fiepte, und als er darauf sah, stellte er fest, daß Gerschoni in der Nähe sein mußte. Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte ihn nicht erkennen.
Er meldete das umgehend Vandenberg, der dieses Signal auch schon bemerkt hatte.
„Stellung halten! Falls er auftaucht, unschädlich machen. In dem Gedränge wird kaum jemand deine Waffe bemerken, zumal ja Niemand so etwas kennt und eben als Waffe identifizieren kann.“
 
Konnte es sein, daß Gerschoni sich ebenfalls getarnt hatte.
Er wußte nicht, ob dieser einen Holo-Emitter mitgenommen hatte.
 
In einer der anderen Seitenstraßen sah er jetzt Reiterei der Polizei sich formieren, die mit Lanzen ausgerüstet waren.
„Gute Güte! Die wollen die Sache aber auch mit aller Gewalt beenden,“ zischte Howy.
 
Dann fiel ein einzelner Schuß und unser Navigator sah, wie einer der Polizeiführer zusammenbrach. Irgendjemand hatte auf ihn geschossen.
Und als er etwas genauer hinsah und eine elektronische Sichtverstärkung, die auf seine Augenlinsen gesetzt war, aktivierte, sah er ihr Crewmitglied, und es war offensichtlich, daß dieser geschossen hatte.
In den Analen würde später stehen, der Schütze sei unbekannt.
 
Howy überlegte, warum er das getan hatte, denn auch Gerschoni wußte über den tatsächlichen Ablauf des Ereignisses, und er wußte ebenfalls, daß es genau dieser Schuß war, der das Desaster heraufbeschwor.
 
Das hatte er, um kein Risiko mit der Ereignislinie einzugehen, selber provoziert, denn er wollte das entstehende Chaos nutzen, um an Hitler heranzukommen und seinen Plan in die Tat umzusetzen.
 
Howy verlor ihn in dem entstehenden Gedränge aus den Augen und meldete das auch an Vandenberg, der wohl jetzt versuchte, Gerschoni zu folgen.
 
Und dann begannen sich die Ereignisse zu überschlagen.
Die Polizisten knieten nieder und eröffneten das Feuer gezielt auf die vorderste Linie der Demonstranten.

(Hier wird Mort aus seiner Sicht weiter erzählen)
[Bild: Howy-neu.jpg]
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