Zwischenlog 18 Anselmus
#1
==========  An Bord der GOLDEN EMPRESS ==========

Ok, der Name dieses Kahns hätte man mit einigem Wohlwollen als leichte Übertreibung für dieses Teil bezeichnen können.
In der leidigen Realität war sie eigentlich ein echter Seelenverkäufer, wie Anselmus schnell feststellen mußte.
Er hatte, als er den Namen des Schiffes hörte, mit dem er die Ehre hatte in Begleitung des Abtes zu reisen, wenigstens auf ein weiches Bett und einen ordentlichen Wein gehofft, aber Kabinen dieser Art gab es nur fünf.
In der einen wohnte der Captain und in der anderen der Abt. Wer in den anderen residierte, wußte Anselmus nicht.
Anselmus dagegen mußte im ‚Zwischendeck‘ leben und durfte noch nicht einmal in die richtige Kantine, die nur wenigen der zahlenden Passagiere vorbehalten war.
Er mußte mit dem vorlieb nehmen, was man den normalen Passagieren vorwarf im wahren Sinne des Wortes.
 
Andererseits konnte er sich ja eigentlich nicht beschweren, denn er war auf dem Weg zu einer Institution der Inquisition, wo er hoffte, etwas über den Aufenthalt Richard von Rabensteins zu erfahren.
Und das auch noch, ohne etwas dafür zu zahlen.
Und Herodes durfte auch mit, wobei dieser es noch schwerer hatte als sein Herrchen, denn es gab nichts extra für ihn.
Er mußte sich den Fraß mit seinem Herrchen teilen, was nicht gerade leicht war für einen Hund seiner Größe, der schon etwas Ordentliches zwischen die Kiefer brauchte.
Aber er war lange genug mit Anselmus zusammen, so daß er wußte, daß Schmahlhans derzeit der Küchenmeister war.
Und er hätte sich niemals beklagt, denn er wußte ebenso sicher, daß der Mönch auch noch sein letztes Stückchen Brot mit ihm teilen würde.
So lag er denn ruhig zu Anselmus Füßen und ließ sich kraulen. Geduldig wie immer.
Und auch Anselmus war sich ziemlich sicher, daß er die 2 Wochen Reisezeit schon irgendwie überstehen würde.
Und um sich die Zeit zu vertreiben, übte er sich tatsächlich mal wieder in meditativen Exerzizien.
 
Ab und zu durften die Zwischendeckpassagiere aber auch mal im Schiff herumlaufen und sogar die Brücke besichtigen.
Und etwa eine Woche im Flug war es Anselmus mal wieder vergönnt, der Brücke einen Besuch abzustatten, allerdings mußte Herodes zurückbleiben, was dieser gar nicht gerne duldete, denn er wollte sein Herrchen immer im Auge behalten, denn es gab genügend Dreckskerle, die dem an die Kutte wollten. Aber er fügte sich in den Befehl, wenn auch leise knurrend.
 
 
==========  Auf der Brücke der GOLDEN EMPRESS  ==========
Anselmus hatte sich im Hintergrund zu halten. Der 1. Offizier, ein riesiger Bolianer hatte ihn, kaum daß er die Brücke betreten hatte, erst einmal zur Schnecke gemacht, von wegen sinnfrei herumstehen oder blöd grinsen. Und da war es schon gut, daß Herodes nicht mit dabei war, denn der wäre diesem Kerl glatt an die Kehle gegangen.
 
Anselmus hatte eindeutig schon bessere Brücken gesehen.
Die hier sah aus, als ob man die Techniken von mindestens 25 verschiedenen Völkern nutzen würde.
War wahrscheinlich auch so.
Auf Terra hätte man das so ausgedrückt: ‚Aus jedem Dorf einen Hund‘.
 
Umso mehr bewunderte er ja irgendwo den Techniker, der in der Lage war, das Alles nicht nur zusammenzuschrauben, sondern auch noch laufen zu lassen.
Und auch die Crew sah nur bedingt so aus, wie Anselmus sie sich auf einem ordentlichen Passagierschiff vorgestellt hatte.
Ein buntes Gemisch von Völkern aus nahezu allen Quadranten der Galaxis.
Aber das war auf den Schiffen dieser Regionen eher normal. Raumleute, die auch noch halbwegs qualifiziert waren, waren verdammt selten, und so nahmen die Kapitäne nahezu jeden, der sich meldete.
 
Anselmus hatte sich in eine Ecke gedrückt, als der Navigator meldete:
„Captain, ich habe da ein Schiff in der Peilung, das hier mitten im Nichts nur mit Impuls fliegt. Deren WARP-Antrieb ist eindeutig offline, was darauf hindeutet, daß er kaputt ist.
Sollen wir denen unsere Hilfe anbieten?“
 
„Wozu? Sollen die doch selber zusehen, wie sie weiterkommen. Halten Sie Kurs!“
 
„Deren Lebenserhaltungssysteme sind aber auch schon am Ende. Wir sollten sie übernehmen, Sir.
Außerdem haben wir im Zwischendeck noch einige Kojen frei, und wir könnten sie also gegen Geld mitnehmen.“
 
„Aber nur, wenn die auch wirklich was haben, was wir gebrauchen können,“ grinste der Kapitän. „Aber das ist ja ein Borg-Schiff? Das könnte durchaus eine Falle sein.“
 
„Es gibt einige Lebensformen an Bord, aber Nichts deutet auf Borg hin, Sir.
Heutzutage sind seit den Borgkriegen viele derer Ex-Schiffe unterwegs, da sie billig zu bekommen waren und durchaus etwas aushielten.
Wir sollten uns mal bei denen umsehen, denn es gibt schon so Einiges, was wir dringend gebrauchen könnten.
Und unter den benötigten Ersatzteilen wäre auch Vieles, was aus Borgbeständen stammt, wie Sie ja selber wissen.
Außerdem können wir die Leute da drüben nun wirklich nicht da sitzen lassen.
Wir sind ja schließlich keine Piraten, sondern eine respektable Fluglinie. Die von ihrem guten Ruf lebt.“
 
Anselmus konnte nur mit Mühe einen Hustenanfall unterdrücken, als das Wort ‚respektabel‘ an seine Lauscher drang, aber er konnte dem Navigator nur zustimmen, denn solange man kein Pirat war, konnte man die Leute da drüben nicht sitzen lassen, schließlich konnte man ja selber auch mal in eine solche Situation geraten, und in den Kneipen der Raumhäfen würde sich so etwas gar nicht gut machen, und dann würde überhaupt Niemand mehr anheuern wollen, was sicherlich auch nicht im Interesse dieser Luxus-Linie war.
 
Das sah sogar der Captain ein: „Rufen Sie sie!“
 
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines Mannes, der ganz sicher kein Borg war, wie alle erleichtert feststellten:
„Ich bin Captain Lhoal von der Galae Rihanna, haben Sie unseren Notruf empfangen? Wie Sie sehen ist unser Schiff leider havariert, und ohne Warp-Antrieb werden wir hier verhungern, wenn Sie uns nicht helfen. Wir können ihn auch nicht mehr reparieren, so daß wir das Schiff aufgeben müssen.
Sollten Sie uns auf Ihrem Schiff mitnehmen, wo immer es auch hingeht, würden wir Sie mit Technik bezahlen, denn außer dem Warp-Antrieb haben wir viele wertvolle technische Geräte an Bord, die wir Ihnen gerne überlassen.
Sie können sich nach Herzenslust bedienen.“
 
„Der Captain nickte: „Ihren Notruf haben wir leider nicht empfangen, aber wir werden Sie an Bord nehmen. Haben Sie ein Shuttle?“
 
Lhoal nickte.
 
„Gut. Landen Sie Ihr Schiff in unserer Halle und bleiben Sie an Bord, solange, bis wir Ihnen die Erlaubnis geben, auszusteigen.
Und bringen Sie keine Waffen mit, was auch immer.“
 
„Natürlich,“ erwidert Lhoal. „Wir danken Ihnen sehr, denn das war im sprichwörtlichen Sinn Rettung in höchster Not.“
 
Der Captain wandte sich an seinen 1. Offizier: „Truba, stellen Sie eine Gruppe zusammen, zu der auch unser Ingenieur gehört, denn der muß ja entscheiden, was wir brauchen können und ob die Komponenten es überhaupt wert sind, daß wir hier stoppen.“
Gleichzeitig kratzte er sich am Kopf, denn er hatte das unruhige Gefühl, einen der Männer, die neben Lhoal gestanden hatten, schon einmal irgendwo gesehen zu haben.
Aber die Milchstraße war groß und es gab viele Raumhäfen und noch mehr Spelunken, wo er den schon einmal getroffen haben konnte. Aber es schien keine unmittelbare Gefahr von denen da drüben auszugehen.
 
Zu seinem Sicherheitsmann fügte er noch hinzu: „Sorgen Sie dafür, daß diese Truppe ganz hinten in den letzten Kabinen einquartiert wird, denn da können wir den Zugang absperren. Ich habe keine Lust, mich irgendwann einmal überraschen zu lassen von diesen Herrschaften.“
 
„Eye, eye, Sir!“
 
Dabei fiel Anselmus ein, daß er damit mit diesen Typen den gleichen Flur bewohnte, denn auch seine Kabine, die er sich mit drei weiteren Passagieren teilte, lag im beschriebenen Teil des Schiffes.
Na, vielleicht konnte das ja etwas Abwechslung in den langweiligen Alltag bringen, denn immerhin hatten sie noch eine gute Woche zu fliegen, wenn Alles gut ging.
Irgendwie hing ihm das Meditieren und die contemplativen Übungen langsam zum Hals raus, und es war schon soweit, daß er nahezu jede Nacht von vielen Gläsern Rotwein träumte, und er war sich sicher, daß es Herodes nicht besser ging, nur daß der sicherlich immer einen riesigen Berg herrlicher Knochen mit viel Fleisch dran vor sich sah.
 
 
==========  Etwa 2 Stunden später  ==========
 
Die GOLDEN EMPRESS war wieder auf Kurs gegangen.
Es hatte sich herausgestellt, daß es durchaus einige Komponenten auf dem Borgschiff gab, die man gut gebrauchen konnte, so daß der Captain und Eigner dieses Schiffes durchaus zufrieden war.
Man überließ das Schiff sich selber und setzte den Kurs fort in Richtung Epsilon Eridani 4.
 
Das Shuttle des Havaristen lag in der Bai und man hatte die fremde Besatzung Einer nach dem Anderen aussteigen lassen, sie sehr sorgfältig gescant nach Waffen und sonstigen nicht gerne gesehenen Dingen, aber da sie nichts gefunden hatten, waren sie in ihre Quartiere gebracht worden, wo die Männer erst einmal etwas zu essen und zu trinken bekamen.
Und beschweren taten die sich auch nicht, denn Anselmus konnte nichts vernehmen, obwohl er die Tür zum Gang aufgelassen hatte.
Er forderte Herodes auf, mit ihm zu kommen, und ging auf den Gang hinaus, wo er so tat, als ob er mit dem Hund spielen oder trainieren wollte, machte dabei aber ganz lange Ohren, aber auch jetzt war es totenstill.
Möglicherweise pennten die alle erst mal?
 
Na ja, er wußte nicht, was die schon hinter sich hatten, aber es wäre schon verständlich gewesen, wenn die erst mal eine Mütze voll Schlaf nahmen.
Es würden sich noch genug Gelegenheiten ergeben, mit denen zu sprechen und Informationen zu bekommen, denn Eines hatte unser Mönch gelernt: Informationen waren fast wichtiger zum Selbsterhalt als Essen und Trinken.

[Bild: anselmus2.jpg]
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