Zwischenlog 8 - Richard von Rabenstein
#1
*** Unbekannter Wüstenplanet / Altes Schlachtfeld ***


Wie lange er schon in der Hand dieser Mafiosibande war, konnte Richard von Rabenstein nicht genau bestimmen. Er vermutete, dass es fast ein Monat sein musste. Er hatte die Zeit genutzt, soviel wie nur möglich über die Besatzung und ihre internen Strukturen, ihre Sorgen, Freuden und Absichten in Erfahrung zu bringen. Nach außen hin verhielt er sich so teilnahmslos wie möglich. Sollten sie ruhig denken, dass von ihm nichts zu befürchten war und dass er ihnen als willfähriges Werkzeug bei ihren Machenschaften dienen würde - um so besser. Von Nalae hatte er nichts mehr gehört oder gesehen. Er vermutete, dass sie bei einem der ersten Zwischenstops auf einem Sklavenmarkt gelandet war. Nun, er hatte zumindest ihre Seele gerettet, das war ja auch das Wichtigste.

An diesem Morgen hatte man Richard in den Transporterraum gebracht, wo schon drei bewaffnete Mitglieder der Bande warteten. Sie materialisierten wenig später in einem Trümmerfeld auf einemvon rötlicher Sonne durchglühten Wüstenplaneten. Die Marauder handelten mit Borgkomponenten und weideten die Wracks der Schlachtfelder aus. Und um sicher zu gehen, dass ihnen keine Borgaktivität in die Quere kam, brauchten sie ihren empathischen Detektor...Richard trug noch immer den neuralen Verstärker, ein klobiges Instrument, das seine halbe Stirn und die rasierte linke Kopfseite bedeckte. Er war sicher, dass er in seinem jetzigen Zustand aussah wie ein Borg-Zombie und er war dankbar, dass die rostigen Metallplatten seines 'Quartiers' nur ein verschwommenes Bild seines Selbst zurückwarfen.

Zwei der Diebe verschwanden im Inneren einer schräg aus dem Wüstensand ragenden Struktur. Richard und Samech, der Reptiloide, folgten ihnen über einen Hindernisparcours aus verbogenen Metallstreben. Samech brüllte in Richtung seiner Kameraden, sich nicht zu weit von ihnen zu entfernen, doch die beiden dachten offenbar eher daran, sich heimlich schnell die Taschen mit ein wenig Hardware zu füllen. Statt einer Antwort knirschte und knackte es, dann war die Kommunikation gestört.

Samech fluchte und starrte auf sein Scaninterface. Doch die emotionale Aktivität seines 'Detektors' zeigte keine Hinweise auf Borg. Also stapfte der Reptiloide weiter und blaffte noch einmal in das chaotische Halbdunkel. Nichts. Irgendwo tropfte es. Dann klang ein erstickter Schrei und ein Poltern zu ihnen. Samech stieß Richard zur Seite. Er versuchte sich abzufangen, um nicht in der öligen Lache auf dem Boden zu landen, riß sich dabei die Hand an einer zerfetzten Stahlplatte auf und machte nun doch Bodenkontakt.
Großartig! Ich werde mich mit Gott weiß was infizieren in diesem infernalischen Dreck!

Samech schlich mit gezogener Waffe vorwärts. Der Schiffsfriedhof war ein beliebtes Ziel von Hardwaredieben und sonstigem Gesindel. Es war also kein Wunder, wenn die Begehrlichkeiten hier zu Zusammenstößen führte. Richard presste das Gesicht gegen das rostige Gitter hinter ihm. In einem staubigen Lichtstrahl sah er einen der Marauder. Es war der krummnasige Terraner, der kürzlich in einem Würfelturnier von Samech den Amtsring des Großinquisitors gewonnen hatte. Eine Aura von Angst ging jetzt von ihm aus. Sieht aus, als hättest du lange genug mit dem Ring herum geprahlt...

Im selben Moment nahm Richard noch andere Emotionen wahr. Aggression. Haß. Befriedigigung. Niederste Instinkte brachen sich dort Bahn, nur wenige Meter von ihm entfernt. Mindestens zwei oder drei andere Entitäten, vermutete er. Schüsse zischten durch das Wrack, gefolgt von stiebenden Funken und herab brechenden Metallteilen. Kurz brach sich der Lichtstrahl in den Brillanten seines Amtsringes. Einen Augenblick später war die Angstaura erstorben. Aber auch von den anderen konnte Richard nichts mehr auffangen außer einer diffusen Agonie.
Samech bewegte sich vorwärts. Nur einen Sekundenbruchteil später hörte Richard einen dumpfen Aufschlag und ein Röcheln. Ein vierter Angreifer? Er spürte keine weitere Aura, aber es gab Spezies, die er nicht erfassen konnte. Keuchend und fluchend bewegten sich die ringenden Kontrahenten in seine Richtung. Der Inquisitor presste sich eng an das Gitter ins Dunkel.
Eine Klinge blitzte auf. Gleichzeitig fiel etwas Metallisches zu Boden und rutschte in Richards Richtung.
Ein Disruptor! Einer Eingebung folgend packte er die Waffe, hob sie, feuerte. Die ineinander verkeilten Kämpfer brachen zusammen. Ein schwaches Rauchfähnchen stieg von dem reglosen Haufen Biomasse auf.

Richard würgte und realisierte, dass er immer noch den Disruptor umklammert hielt. Er rang nach Luft. Er hatte nie jemanden bewusst und absichtlich von Angesicht zu Angesicht getötet. Es waren keine Terraner, versicherte er sich und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Sie fallen nicht unter das Interdikt. Es waren gottlose Kreaturen. Er wollte den Disruptor ins Dunkel schleudern, überlegte es sich dann aber anders und befestigte die Waffe an seinem Gürtel.

Dann bahnte er sich seinen Weg zum zweiten Kampfplatz. Das sich ihm dort bietende Bild war nicht minder widerlich. Einer der Angreifer hatte den hakennasigen Terraner mit einem Kabel erdrosselt, war aber  von einem Kampfmesser durchbohrt worden und jetzt so gut wie tot. An seinem Hals war das Erkennungszeichen der Assassinengilde tätowiert. Der andere Marauder lag mit zerschmettertem Schädel am Boden, über einem Unbekannten mit blauer Hautfarbe - und blauem Blut... Es ist abgrundtief widerlich! Ein Schritt weiter lag die abgetrennte Hand des Hakennasigen.

Mein Ring... Erneuten Würgreiz unterdrückend zerrte Richard das Schmuckstück vom Finger der erstarrten Hand. Dabei vergaß er völlig seine eigene Verletzung, bis zu dem Moment, da das Schmuckstück seine aufgerissene Handfläche berührte.Der Schmerzenslaut blieb Richard im Halse stecken. Denn aus der kostbaren Kreuzintarsie entfaltete sich eine holographische Projektion. Zahlen, Worte in lateinischer Sprache. Koordinaten. Ein Sternsystem? Immer wieder tauchte der Name Taminus auf.
Altissimus! Die Assassinen waren hinter mir her UND dem, was hier gespeichert ist!

Er starrte auf die Linien, Felder und Buchstaben aus Licht. Es war völlig klar, dass die Botschaft - was auch immer sie bedeutete - für IHN bestimmt gewesen war, NUR für ihn, codiert auf sein Blut. Das Konzil wollte sichergehen-- Näherkommende Schritte unterbrachen seine Überlegungen. Instinktiv machte er das Kreuzzeichen - und tatsächlich erlosch das Hologramm. Manchmal warst du etwas zu vorhersehbar, mein lieber Constantius.... wandte er sich in Gedanken an seinen Amtsvorgänger. Dann schob er den Ring an seinen Finger und richtete sich auf.

Hinter dem tanzenden Strahl einer Taschenlampe wurden zwei Gestalten sichtbar. Das Oktopoidenwesen, das der Boss der Truppe war und dessen unaussprechlichen Namen Richard mit Galub vereinfacht hatte, und sein klingonischer Leibwächter.

"Was ist hier los?" schnarrte es aus Galubs Sprachcomputer.

"Sie waren dabei, einen Deal auszuhandeln um sich in den Besitz deines Schiffes zu bringen," erwiederte der Inquisitor. "Du siehst, es waren Mitglieder der Assassinengilde."

"Sie wollten mich verraten?! Feiges verfluchtes gieriges Pack!"

"Und du hast es verhindert?" knurrte der Klingone und griff Richard an der Jacke. Er hätte dem verfluchten Terraner gern den Hals umgedreht, um das zu erkennen, bedurfte es keiner empathischen Fähigkeiten.

Er hielt dem glühenden Blick aus den schwarzen Augen unter den buschigen Brauen stand ohne mit der Wimper zu zucken. "Ja."

"Nun, haha. Habe dich wohl unterschätzt," blubberte Galub. "Lass ihn los, Ravg! Galub ist kein undankbarer Ksivvik!" Ein Tentakel schlabberte über Richards Kopf und er presste die Zähne zusammen. "Loyalität wird belohnt! Sag mir, was du willst, und du bekommst es!"

Wasser, Seife, eine Schalldusche und ein Rasierer wären ein guter Anfang...
[Bild: Signatur-Rabenstein-neu.jpg]
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