Projekt Brieftaube Log 5 Sareth
#1
 
Die Wissenschaftler befanden sich in jenem 'Anything goes'-Zustand, der an ein Casino auf Risa erinnerte, das den Jackpot ausgelobt hatte. Die ersten Vorschläge zur Sendung einer Kommunikationsboje waren gemacht worden. Ohne Rücksicht auf mögliche Kosten jonglierten sie mit Gleichungen und Parametern. Die Diskussion um Dr.Juraviks Idee zur Verwendung einer Chronitoninversion auf der Basis eines einfachen Primzahlentableaus - was die Entsendung einer physischen Komboje unnötig machen würde, lag hoch im Kurs.
 
In diesem Moment kehrte Raikennis von der T.I.A. (Temporal Integrity Agency) zurück in die Astrometrie und forderte lautstark Aufmerksamkeit. Einige indignierte Koryphäen wandten sich ihm zu, andere waren so vertieft in ihre holographischen Simulationen, dass sie weiter diskutierten. Sareth t'Khellian trat auf den Beamten der T.I.A. zu.
 
"Ihre Behörde hat eine eigene Lösung für das Problem?" fragte sie.
 
"Das nicht, aber ich bin beauftragt worden, Ihnen jedes weitere Vorgehen in dieser Angelegenheit zu untersagen.""
 
"Was? Wieso?"
 
"Eine impertinente Ungeheuerlichkeit!!" fauchte ein romulanischer Wissenschaftler und baute sich neben Sareth auf, die ihm jedoch zunächst Einhalt gebot.
 
"Mr. Raikennis, würden Sie meine Kollegen und mich über die Ursache dieser plötzlichen Entscheidung aufklären?"
 
Der Beamte hob das Kinn. Die Angelegenheit schien ihm beinahe Freude zu bereiten. "Nun, Paragraph 12 des Temporalen Grundgesetzes, Artikel 5, Klausel 2, Madame. Ich zitiere: Die Sendung von Nachrichten in einen Zeitindex der relativen oder absoluten Vergangenheit ist verboten gemäß Paragraph 1 'Nichteinmischung in die Zeitlinie' sowie Erster Direktive, Absatz 4 - diesen brauche ich Ihnen sicher nicht in Erinnerung zu rufen - , in denen es heißt "Jedwede Kommunikation in Richtung der relativen oder absoluten Vergangenheit ist untersagt aufgrund der möglichen irreparablen Beeinflussung von Ereignissen in der relativen --"
 
Sareth unterbrach seinen juristischen Redefluss: "Kurz gesagt, wir dürfen in die Vergangenheit reisen, aber nicht in die Vergangenheit kommunizieren?"
 
"Sie dürfen auch nicht reisen. Das wäre eine grobe Missinterpretation der Gesetzeslage. Es ist möglich, nach erfolgten temporalen Unfällen Hilfeleistungen zur Bereinigung des Unfalls zu geben, aber--"
 
"Eine solche Hilfestellung wollen wir doch gerade geben."
 
Raikennis schüttelte seufzend den Kopf. "Nein, das Gesetz sieht vor, bei einer Hilfestellung müssen Helfer und Hilfsbedürftige bereits in Kontakt stehen, der eine Kontamination der Zeitlinie so gering wie möglich hält. SIE aber wollen eine Kommunikation in die Vergangenheit senden, die auf ihrem Wege von verschiedenen anderen Instanzen abgehört werden und missbraucht werden kann. Das fällt unter den Straftatbestand der temporalen Beeinflussung."
 
"Absurd," sagte Dr. Juravik. Ein Wort, das er lediglich benutzte, wenn ihn etwas über die Gebühr ärgerte. Sein romulanischer Fachkollege ließ indes seinem Zorn über Beamtenwillkür freien Lauf. Raikennis erinnerte ihn daran, dass auch der Prätor das Temporale Grundgesetz unterzeichnet hatte.
 
Sareth holte tief Atem. "Ihnen ist bewusst, dass Sie damit die womöglich einzige Möglichkeit zur Rückführung der USS Picard, ihrer Crew, ihrer unschätzbaren Forschungsergebnisse sabotieren, Mr. Raikennis?"
 
"Ich sabotiere gar nichts. So ist der Stand der Gesetze."
 
Falls Sareth einer Erinnerung bedurft hätte, warum sie sture Paragraphenreiter hasste, so war dies eben geschehen. Im Augenblick aber konnte sie tatsächlich nichts weiter tun. Sie dankte den versammelten Wissenschaftlern für ihre Unterstützung und versprach, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, der nach Lösungen suchen konnte. Eines hatten sie ja prinzipiell: Zeit. Eine Kommunikation, wie sie Dr. Juravik vorgeschlagen hatte, konnte auf einen Zielpunkt in der Vergangenheit gerichtet werden, unabhängig von der in der Gegenwart verstrichenen Zeit.
Doch während sie ihre Unterlagen zusammen sortierte und nach einigen kurzen Wortwechseln mit ihren Kollegen schließlich als letzte das Ratsgebäude verließ, dachte sie an die Familien und Freunde der Picard-Crew. Sokars Frau zum Beispiel, mit der sie erst letzte Woche über Subraumfunkt gesprochen hatte... Oder Hohardus Edzardus' Großmutter, die fürchtete, ihren Enkel nicht mehr wieder zu sehen... Zevlethis Gefährten und ihre Kinder oder Robert Vandenbergs ehemaligen Studienkollegen, der gerade ein Projekt in San Francisco leitete und mit dem sie öfters zu tun hatte...
Sie entschied, dass sie etwas Zeit brauchte, um ihre Gedanken zu sortieren und ließ das Transporterarray im Erdgeschoss links liegen. Lieber einen kurzen Spaziergang durch den Park machen, dem Plätschern der Brunnen zuhören und dem abendlichen Streiten der Spatzenpopulation!
 
Sie setzte sich auf den Sockel einer Statue, die jene Frau feierte, die als erste den Boden des Mars betreten hatte. Nur ein paar Schritte weiter Richtung Panoramablick stand ein Denkmal für James T. Kirk. In seiner Zeit hatte die T.I.A. ihren Anfang genommen, als Reaktion auf temporale Unfälle. Nun gut, es war ja auch richtig, dass sich eine Behörde damit befasste und es war auch richtig, dass es gesetzliche Regelungen gab. Schließlich war nichts so empfindlich wie die Zeit! Aber---! Sareth seufzte und versuchte, den unfruchtbaren Groll in die Überlegungen zu lenken, wo sie einen erfahrenen Rechtsberater finden konnte.
 
"Admiral T'Khellian. Ich habe gehört, Paragraph 12 des Temporalen Grundgesetzes macht Ihnen Unannehmlichkeiten?"
 
Sareth schrak zusammen und schnellte hoch. Die Stimme war von irgendwo hinter ihr gekommen! Die Büsche? Die Statue?
 
"Versuchen Sie nicht, mich zu entdecken. Ich benutze ein Tarnfeld und ja, auch einen Stimm-Modulator."
 
"Ich finde solche Spielchen nicht wirklich amüsant," entgegnete Sareth. Nein, dafür war sie jetzt nicht in Stimmung! "Wenn Sie etwas zu sagen haben, zeigen Sie sich. Und überhaupt - woher wissen Sie von der Sitzung eben?"
 
Die Stimme lachte leise. Es klang wie 'Wir hören Sie ab, selbstverständlich. Was denken Sie?' "In der Tat habe ich etwas zu sagen. Ihnen ein Angebot zu machen."
 
"Ich nehme keine Angebote von körperlosen Stimmen im Park entgegen. Wenn Sie so genau Bescheid wissen, sollte Ihnen auch das bekannt sein."
 
"Ich kann Ihnen aus dem Dilemma mit der Kommunikation in die Vergangenheit helfen, Admiral T'Khellian. Wie Sie wissen, gibt es Organisationen, die sich nicht an das Temporale Grundgesetz gebunden fühlen..."
 
"Und auch sonst an keine Gesetze, nehme ich an."
 
"Sehen Sie das, wie Sie wollen. Das größere Gut der Föderation ist unser Gesetz. Und es wäre für die Föderation sehr förderlich, wenn die 'Picard' wieder in ihren Heimathafen einlaufen würde, anstatt womöglich einen größeren Unfall in der Vergangenheit zu verursachen, der uns alle vernichten kann."
 
Nun, wem sagen Sie das!
 
"Ich biete Ihnen den Handlungsspielraum, den meine ... Kollegen... von der T.I.A. Ihnen gerade vermauern wollen."
 
"Und was verlangen Sie dafür?" Antike Geschichten über Wesen, die ihre Lebensessenz übelwollenden Mächten verkauften, um irgendetwas dringend Benötigtes zu erlangen, kamen ihr in den Sinn.
 
"Über das Geschäftliche können wir in einem zweiten Schritt sprechen. Ich bin da eher vorsichtig, Sie verstehen... Wenn Sie es sich überlegt haben und mich kontaktieren wollen: ich hinterlasse einen Chip mit Koordinaten auf dem rechten Fuß unseres geschätzten Captain Kirk. Ich hoffe, wir sehen uns, Admiral. Im Interesse der 'Picard'."
 
Sie wusste, dass er verschwunden war. Das kann mir eine unehrenhafte Entlassung einbringen, dachte sie. Wenn es nicht überhaupt eine Intrige ist, um mich auflaufen zu lassen...
 
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(PS: ich dachte mir, die Bemühungen auf der Picard und auf der Erde treffen sich irgendwo in der Mitte und beide tragen was bei für die glückliche Rückkehr. Die Sache mit Sareth und Sektion 31 könnte man für die Nach-Picard-Story verwenden, habe da aber noch keinen genauen Plan.)
[Bild: Sareth-neu.jpg]
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