Jan Assmann:"Das kulturelle Gedächtnis" - und die Föderation und die Romulaner
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Ich lese gerade das Buch "Das kulturelle Gedächtnis" des Ägyptologen und Kulturwissenschaftlers Jan Assmann. Obwohl es schon sehr anspruchsvoll ist und man lieber nur wenige Seiten hintereinander liest, um alles einsickern zu lassen und darüber zu meditieren, möchte ich es doch empfehlen. Es handelt von den Grundlagen der menschlichen Kultur, von Riten, Geschichten, Texten und unter welchen Bedingungen warum sie zu den Grundsteinen unserer Kultur wurden und wie es überhaupt funktioniert, dass ein Text zur verbindlichen Norm für alles Handeln wird. Dabei geht es zwar Schwerpunktmäßig um die antiken Kulturen und das Alte Israel, als Grundlage unserer westlichen Welt, aber es werden auch ständig Vergleiche gezogen, z.b. zu den "Reliquien von Mao" in China.

Heute morgen - und deshalb poste ich das HIER im Star Trek - RPG - war ich bei dem Kapitel angelangt, das sich mit Kanonbildung und dessen kulturüberformender oder kultursprengender Relevanz befasst. So gibt es Kulturen, in denen eine Ideologie/Religion das ganze Leben eines Staates und seiner Bewohner in allen Bereichen bestimmt (oder es zumindest versucht), so zB. im Mittelalter die Kirche und in jüngerer Zeit die stalinistisch-sozialistischen Parteien. Und es gibt Kulturen, in denen das fehlt, wo jeder Bereich seine eigenen Kanones und Regeln aufstellt und alle nebeneinander existieren nach dem Motto "jeder Bereich sucht sich seine eigenen verbindlichen Wahrheiten/Richtschnuren".

Da dachte ich, das spiegelt die Unterschiede "Romulanisches Reich" und "Föderation" eigentlich sehr gut wider. Auf Grund dessen, was in Star Trek Filmen und Serien gezeigt wurde und in einigen Büchern weiterentwickelt wurde, würde ich das Romulanische Reich als ein Herrschaftsgebilde mit solch einer prägenden Leitkultur/Ideologie einstufen, die Föderation als das Gegenteil. Wenn ich das so weiterverfolge in Gedanken (und zum Teil haben wir Elemente davon ja sowieso schon geschrieben), lassen sich ein paar charakteristische Punkte festhalten, wo sich beide unterscheiden - und das sollte auch in den Logs zum Ausdruck kommen, dass es wirklich unterschiedliche Spezies mit unterschiedlichen Kulturen/Ansichten usw. sind.

Bei den Romulanern würden wir also finden:
  • eine Art Staatskult um den Prätor wie früher um Stalin oder jetzt in China - nichts Religiöses wie im Alten Rom, obwohl es sicher Opfer zum Wohle des Prätors gibt.... aber so ein säkularer Kult mit riesen Postern etc.
  • romulanische Leitkultur, d. h. vorrangie Vermittlung von deren Werten und deren Geschichtsauffassung in Schule und Medien
  • Tradition spielt große Rolle
  • Unterordnung von Forschung und Wissenschaft und sozialem Leben unter die Staats- bzw. Volks-Idee vorrangig vor individueller Selbstverwirklichung
  • andererseits: Sorge des Staates für seine Bewohner, keine freie Marktwirtschaft (eher so wie in China heute)
  • überall Uniformen: Schuluniform, Beamten- und Personaluniformen... überhaupt nicht so viel Modevielfalt, da es ja keine Firmen gibt, die unbedingt mit Modetrends ihren Umsatz steigern müssen Zwinker
  • andere Völker können die gleichen Rechte wie die Romulaner erhalten, müssen sich aber kulturell unterordnen
  • Monumentale Bauten
In der Föderation würden wir im wesentlichen das finden, was heute in den westlichen Ländern ist, außer den Entgleisungen mit Hunger und wirtschaftlicher Ausbeutung, weil das ja laut "Roddenberry-Kanon" von der Menschheit überwunden wurde. Gibt es noch Geld? In unserem RPG ja. In ST-First Contact laut Picard nicht mehr, da scheint so eine richtige echte kommunistische Gesellschaft zu herrschen, wo die Leute arbeiten, um sich selbst zu verbessern und der Gemeinschaft zu dienen. Bei DS 9 wird aber Geld bzw. Geldähnliche Systeme auch für die Föderation erwähnt...
Also...
  • Pluralismus: eine riesige Vielzahl an Kulturen, Subkulturen und Lebenseinstellungen, geeint von den Grundprinzipien / dem Grundgesetz der Föderation als kleinstem gemeinsamen Nenner
  • Individualismus
  • Staatsapparat, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung (zumindest theoretisch) getrennt
  • Traditionen eher folkloristisch, nicht mehr als zentrale Leitkultur, spielen "offziell" keine Rolle mehr
  • eher schlichte, funktionale Bauten, mit speziellen Merkmalen je nach Architekt / Kultur

(So, und damit hab ich jetzt meine Mittagspause verdödelt...Zwinker
[Bild: Sareth-neu.jpg]
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