Central Terminal

Normale Version: Zwischenlog 20 - Lhoal
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
*** Auf der „Golden Empress“ ***

 
Lhoal hatte sich auf Erkundungstour durch das Schiff begeben, das ihn und seine Kameraden aufgesammelt hatte. Nach knapp zwei Tagen Schlaf am Stück und so viel an Essen und Wasser, wie man gewillt war, ihnen kostenlos abzugeben, fühlte er sich allmählich wieder besser.
Aus der Datenbank des Borgschiffes wusste er, dass es einen Waffenstillstandsvertrag zwischen Autokratie und Imperium gab – also würde man ihn und die übrigen Rihannsu nicht als Gefangene betrachten. Denn eines war ihm klar: die „Golden Empress“ flog in die falsche Richtung, gen Imperium. Und Lhoal wollte so schnell wie möglich zurück auf die Brücke eines Kampfkreuzers der Galae!

Kindergebrüll und streitende Stimmen in diversen Sprachen drangen zu ihm. Das Schiff war total überladen mit Flüchtlingen und zwielichtigen Händlern und sonstigen Spießgesellen, die entweder der Rechtlosigkeit und Hoffnungslosigkeit oder der Selbstjustiz im Niemandsland entkommen wollten. Sie hatten zum Teil ihre letzten Besitztümer irgendwelchen Schleppern in die gierigen Rachen geworfen, die sie über die Grenze ins Terranische Imperium bringen sollten. Die Terraner indes hatte so wenig wie die Rihannsu Ressourcen und Ambitionen, noch mehr hungrige Mäuler aufzunehmen. Beide Machtblöcke hatten nach dem Krieg gegen die Borg genug damit zu tun, die vorhandene Bevölkerung durch zu bringen und zu schützen. Die einzigen, die sich bereicherten, waren die Grenzposten... Die kassierten doppelt: von den Verzweifelten, und dann vom Staat für die Auslieferung.

„Herodes?! Aus!“

Die barsche menschliche Stimme klang von oberhalb der Galerie, wo auch ein paar Leute ihr behelfsmäßiges Lager aufgeschlagen hatten. Lhoal hörte das Hecheln eines großen Tieres und blieb halb auf der Treppe stehen. Seine rechte Hand zuckte zu seiner Hüfte – da erinnerte er sich mit einem Fluch, dass ihre Waffen eingezogen worden waren. Nun gut, er war auch mit bloßen Händen ein gefährlicher Gegner!

Der Rihanha stapfte vorwärts, wobei seine metallenen Schienbeinschützer ein leises Klirren wie bei einer mittelalterlichen Rüstung verursachten. Einen Moment später hatte er die Szenerie im Blick – ebenso wie zwanzig andere Schaulustige.

An der gegenüber liegenden Wand lehnte eine zerlumpte Rihanha mit kurzen hellen Haaren. Vor ihr saß mit gesträubtem Nackenfell ein grauschwarzes Untier und bleckte die Zähne unter der gekräuselten Nase.

Von einem der Quartiere näherte sich ein Zwerg von einem Terraner in einem sackartigen braunen Gewand. Lhoal glaubte sich zu erinnern, dass die Tracht irgendeiner dieser Bruderschaften der terranischen Religion gehörte, Leute, die die Rihannsu als Ausgeburten der Unterwelt betrachteten. Der ehemalige Kommandant der Spezialtruppen der Autokratie hegte wenige freundschaftliche Gefühle für derart hinterwäldlerisches Gelichter…

„Herodes! Bei Fuss!“

Der Hund zog sich zurück und der Terraner-Zwerg griff ihn am Halsband. „Lass diene Zähne von dem spitzohrigen Höllengezücht!“ Er machte das Kreuzzeichen über dem Hund und dann über sich selbst.

Lhoal grinste abschätzig. Diese Terraner! Gut, dass die Allianz mit ihnen endlich beendet ist!

Die hellhaarige Rihanha, die nicht ganz nüchtern zu sein schien, löste sich von der Wand und machte einen unsicheren Schritt vorwärts. „Eh, Alter!“ rief sie dem Kerl im Sackgewand zu, auf Terranisch, wie Lhoal feststellte. „Das nimmste zurück, das „Höllengezücht“! Ich bin getauft, so isses!“ Sie fummelte an ihrem Oberteil. Lhoal erwartete interessante Einblicke, aber statt dessen hielt sie plötzlich ein hölzernes Kreuz zwischen den Fingern.. „Hier, siehste! Getauft, vom Großinquisitor persönlich!“

Das schien das Interesse des Zwerges zu wecken. „Großinquisitor? LaSalle?“

Die Rihanha öffnete den Mund, schien sich aber im letzten Moment eines anderen zu besinnen und bedachte den Terraner mit einem mürrischen Blick und einem obszönen Spruch.

Lhoal hatte Gerüchte gehört über die abscheulichen Riten, die die Terraner Taufe nannten. Es hieß, die Leute wurden untergetaucht, bis sie zu ersticken drohten, und gezwungen, Blut zu trinken. Auch wenn er annahm, dass davon nicht alles stimmte und wusste, dass die Terraner ähnliche Horrorstories auch über die Bräuche der Rihannsu bereit hielten – eine Volksgenossin, die sowas mit sich machen ließ, verdiente sein Interesse nicht. Er stieg die Treppe wieder abwärts, mit dem Ziel, irgendwo was Alkoholisches aufzutreiben.

Hinter sich hörte er wieder die Stimme des Terraners und ein wütendes Kreischen der Rihanha, die beteuerte, irgendwen "nich gesehn zu haben". Naja, das ging ihn nichts an.

[Bild: lhoal-spiegel-neu.jpg]